Die Unverbesserlichen

Die Geschichte wiederholt sich und die DTU lernt nichts daraus
Prozesse führen, verlieren, weitermachen als sei nichts geschehen – für die Deutsche Taekwondo Union (DTU) scheint dieses Verhaltensmuster inzwischen Normalität. Darf sich ein gemeinnütziger Verband, der sich praktisch ausschließlich über die öffentliche Hand und Mitgliedsbeiträge finanziert, derart beratungsresistent und frei von jeder Einsicht zeigen?
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DTU in der Verantwortung – Dr. Michael Lehner im Interview

Der Heidelberger Sportrechtler Dr. Michael Lehner vertrat die TUNRW. Für diese Aufgabe war nicht nur prädestiniert, weil er vor rund 10 Jahren bereits der TUSW zur DTU-Mitgliedschaft verholfen hat. Er ist dem Taekwondo auch persönlich verbunden: Er ist Mitglied im Juridical Committee von World Taekwondo, Chairman des Juridical Committee von World Taekwondo Europe und Vizepräsident der TUNRW.
TA: Herr Dr. Lehner, die TUNRW hat der DTU eine Frist bis zum 4. März gesetzt, um auf ein Gesprächsangebot einzugehen. Wie war die Resonanz?
Dr. Michael Lehner: Die DTU hat darauf nicht reagiert, was mir unverständlich ist. Hinter vorgehaltener Hand hat sie die TUNRW wohl als illoyal bezeichnet, um ihr Verhalten zu begründen – ein Vorwurf, den ich scharf zurückweisen muss. Illoyal gegenüber zahlreichen Sportlern an der Basis im Lager der TUNRW und gegenüber ihren eigenen Mitgliedern hat sich die DTU verhalten – sie hat mit ihren Aktionen beiden Seiten geschadet. Positiv ist zu erwähnen, dass die DTU das Urteil des Oberlandesgerichts unmittelbar nach der Verkündung und damit vor Rechtskraft anerkannt und den Mitgliedern die Aufnahme der TUNRW mitgeteilt hat.
TA: Das Oberlandesgericht hat eine Revision nicht zugelassen – ist das Urteil damit nicht sofort rechtskräftig?
Dr. Michael Lehner: Theoretisch ist in diesem Falle eine Nichtzulassungsbeschwerde möglich, die hier aber aussichtslos gewesen wäre. Das Oberlandesgericht hat ja nur anerkannte Rechtsgrundsätze auf den Einzelfall angewendet – deshalb ist es rechtens, eine Revision auszuschließen. Es gibt zum Beispiel gar keinen Zweifel, dass das Einplatzprinzip diskriminierend angewendet wurde und dass die Satzung der DTU rechtlichen Anforderungen nicht genügt. Das Argument der DTU, des habe sich um eine schwierige Rechtslage gehandelt, ist nicht zutreffen.
TA: Haben Sie versucht, die DTU auch außerhalb des Gerichtssaals anzusprechen und von ihrer Fehleinschätzung zu überzeugen?
Dr. Michael Lehner: Die DTU-Verantwortlichen haben ja immer drauf beharrt, dass die TUNRW nach Rechtsgrundsätzen nicht aufzunehmen ist. Ich habe in vielen persönlichen Briefen versucht, zu erklären, dass sie damit falsch liegen. Ich glaube aber gar nicht, dass es sich auf Seiten der DTU hier um eine falsche Einschätzung handelte. Die Sachlage war so eindeutig und der gegnerische Anwalt ist ein ausgewiesener Sportrechtler, so dass ich mir eine Rechtsirrtum nicht vorstellen kann. Eher denke ich, dass die DTU das Verfahren sehenden Auges unnötig verschleppt hat, um die Aufnahme der TUNRW so lange wie möglich zu verzögern. Sie hat meiner Meinung nach ihren Mitgliedern nicht die Wahrheit gesagt und Erfolgsaussichten vorgegaukelt, die wissentlich nicht gegeben waren.
TA: Damit hat sie für den Verband hohe Kosten verursacht.
Dr. Michael Lehner: Ja, und die Prozesskosten werden dabei, so wie es momentan aussieht, der geringere Teil sein. Wenn alles mit rechten Dingen zugegangen wäre und die DTU-Führung ihre Mitglieder richtig beraten hätte, wäre die TUNRW schon Anfang 2017 in die DTU aufgenommen worden. Da ihr dies verweigert wurde, hatte sie erhebliche Nachteile, insbesondere auch finanzieller Art durch entgangene Fördermittel und andere Zuwendungen. Die Frist für eine einvernehmliche Einigung ist, wie oben erwähnt, am 4. März verstrichen. Wir sind deshalb gezwungen der Rechtsweg zu beschreiten. Der Schaden wird dabei seriös und detailliert berechnet. Ich gehe von einer Summe im sechsstelligen Bereich aus.
TA: Die DTU wird es vermutlich so darstellen, dass die TUNRW, kaum aufgenommen, schon wieder Ärger macht. Haben Sie davor keine Angst?
Dr. Michael Lehner: Nein. Die TUNRW ist bereit, sich als ein loyales Mitglied der deutschen Taekwondo-Familie zu beweisen und mit der DTU am runden Tisch zu verhandeln. Niemand würde dort auf den letzten Euro beharren. Aber die TUNRW kann ihren Mitgliedern auch nicht zumuten, nach drei beschwerlichen Jahren jetzt mit leeren Händen da zu stehen. Für einen Neuanfang als vollwertiges DTU-Mitglied werden Mittel benötigt. Wie wir alle wissen, haben die TUNRW-Vereine einiges in Kauf genommen, um zu ihrem Verband zu stehen. Ich erinnere nur an die enttäuschten Kinder, denen man bei der deutschen Meisterschaft 2017 praktisch die Türe vor der Nase zugeschlagen hat. Die TUNRW-Sportler waren gezwungen über befreundete Vereine zu starten, ihre Prüfer mussten auf ihre Prüferlizenzen verzichten und vieles mehr. Es kann nicht so sein, dass die TUNRW-Mitglieder nach langem Ringen vor Gericht Recht bekommen haben und jetzt die Fehler des DTU-Präsidiums ausbaden müssen.
TA: So eine Schadenersatzsumme ist im DTU-Haushalt sicher nicht eingeplant – wo sollte das Geld denn herkommen?
Dr. Michael Lehner: Das zu klären ist Sache der DTU-Führung. Man kann erwarten, dass ein Präsidium, das eine derart falsche Strategie gefahren ist, persönlich für seine Handlungen einsteht. Das müsste jeder Vorstand eines Unternehmens ebenfalls tun und irgendwann ist der Punkt gekommen, an dem man sich auch in einem Sportverband nicht mehr auf die Ehrenamtlichkeit herausreden kann. Wer über Jahre hinweg die staatlichen Gerichte beschäftigt und sich teure Rechtsberater leistet, kann sich in der Schuldfrage nicht darauf berufen, dass man ja nur Ehrenamtler ist. Umso weniger verstehe ich, dass es nun ganz so aussieht, als ob es mit einer Prozessnotwendigkeit weiter geht. Das zeigt, dass die DTU-Führung nichts gelernt hat – die Erfahrungen haben wohl einfach noch nicht weh genug getan.
TA: Um noch einmal auf den Prozess selbst zurück zu kommen. Erneut spielte dabei die DTU-Aufnahmeordnung eine Rolle. Außerdem hat die DTU ihre Aufnahmeordnung während des laufenden Verfahrens noch geändert, ebenso die Satzung in dem Bereich, in dem es um die Aufnahme geht. Wie beurteilen sie das?
Dr. Michael Lehner: Diese Änderung in letzter Sekunde und angesichts der sicheren Niederlage – niemand konnte erwarten, dass das Oberlandesgericht anders entscheidet – zeigt erneut, dass die DTU nicht darauf aus ist, das Kriegsbeil zu begraben. Die DTU-Mitglieder sollten sich vor Augen halten, dass ein bundesweit beachtlicher Kartellsenat die alte Aufnahmeordnung für nichtig erklärt hat – und umso mehr Versuche, diese noch zu verschärfen. Das Präsidium steht jetzt in der Pflicht, den unter falschen Voraussetzungen gefassten Beschluss der Mitgliederversammlung zu korrigieren. Das Vertrauen der Mitglieder auf rechtlich angemesse Aussagen der DTU-Führung wurde hier erneut missbraucht. Wenn die DTU die rechtswidrigen Beschlüsse umsetzt und die Satzungsänderung beim Registergericht eintragen lässt, befürchte ich weitere Rechtsstreitigkeiten, die letzten Endes den inneren Zerfall des Verbands weiter vertiefen werden.
TA: Das Gericht bezeichnete insbesondere die Aufnahmevoraussetzung von 2.500 Mitgliedern und 25 Vereinen als diskriminierend, da der Großteil der Bestandsverbände diese Voraussetzung nicht erfüllt. Wie könnte denn eine diskriminierungsfreie Aufnahmeordnung aussehen?
Dr. Michael Lehner: Eine Regelung über die Mitgliederzahlen ist in der DTU kaum möglich, da sie – anders als die Mehrheit der Dachverbände – über wenige sehr große und wenige zahlenmäßig sehr kleine Mitglieder verfügt. Deshalb wird nichts anderes Übrig bleiben, als in dieser Hinsicht nur die Mitgliedschaft in einem Landessportbund vorzuschreiben. Die Landessportbünde fordern ja ihrerseits ein bestimmtes Quorum, das sich dann auch an der Größe der jeweiligen Bundesländer orientiert. Die Mitgliedschaft in der DTU wäre dann also bereits vorab reguliert. In NRW wäre das Mindestquorum für eine Mitgliedschaft im Budo Dachverband zum Beispiel 1.500 Sportler und 25 Vereine – und das wäre dann auch der Maßstab für einen neuen Verband aus diesem Bundesland.
TA: Was würden Sie der DTU in ihrer jetzigen, recht verfahrenen Situation darüber hinaus raten?
Dr. Michael Lehner: Kurz zusammen gefasst: Rückbesinnung auf den Verbandszweck, der bekanntermaßen unter anderem lautet „die DTU erstrebt die Einigkeit aller Taekwondo-Sportler in unserem Lande“; Zahlung einer angemessenen Entschädigung für die von den TUNRW-Vereinen erlittenen Nachteile; keine weiteren unsinnigen Prozesse; Verzicht auf Umsetzung respektive Korrektur der rechtswidrigen Ordnungs- und Satzungsänderung und Formulierung einer neuen, rechtskonformen Aufnahmeordnung. Als loyales DTU-Mitglied wird die TUNRW immer bereit sein, ihren fachlichen Beitrag zu leisten.
TA: Ihr Engagement im Rechtsstreit um die Aufnahme der TUNRW ist beendet. Wie geht es für Sie persönlich in Sachen Taekwondo nun weiter?
Dr. Michael Lehner: In der Tat hoffe ich, dass mein rechtlicher Sachverstand in diesem Bereich nicht mehr benötigt wird. Momentan freue ich mich vor allem auf die Weltmeisterschaft in Manchester, die für mich ein willkommenes Gegengewicht zu der von Verbandspolitik geprägten letzten Zeit ist. Ausdrücklich hinweisen möchte ich an dieser Stelle auch auf das Engagement des Weltverbands World Taekwondo, der eine tolle Strategie entwickelt hat, weltweit benachteiligten Menschen, insbesondere auch Kindern und Jugendlichen, zu helfen. Für mich sind das absolute Leuchtturmprojekte im internationalen Sport und wenn ich zukünftig hier eine Beitrag leisten könnte, wäre es mir das Liebste.
Daneben finde ich es, auch im Hinblick auf die olympische Zukunft des Taekwondo, sehr wichtig, den Sport national und international zu bündeln und insbesondere World Taekwondo und die International Taekwondo Federation unter einem Dach zusammen zu bringen. Auch in diesem schwierigen aber unverzichtbaren Prozess würde ich mich gerne einbringen.
TA: Dankeschön für dieses Gespräch.
