Klage gegen Antonio Barbarino abgewiesen

Ein Rechtsstreit und seine Hintergründe

Ist es Zufall, dass einer der ganz wenigen Oppositionellen im verbandlich organisierten Taekwondo sich einem vertrackten und emotional geführten Rechtsstreit stellen musste? Für den Präsidenten des jüngsten Verbands im deutschen WT-Taekwondo, der TU NRW, ging es dabei um eine fünfstellige Summe und seinen guten Ruf.

Antonio Barbarino beim WT President’s Cup 2016 mit Edina und Lisa Lents

Erleichterung und Genugtuung bei Antonio Barbarino und seinen Wegbegleitern: Am 10. Oktober weist das Landgericht Siegen eine gegen Antonio Barbarino gerichtete Klage der Nordrhein-Westfälischen Taekwondo Union (NWTU/Präsident Musa Cicek) zurück. Damit ist klar: Barbarino muss nicht wie von der Klägerin beantragt, rund 25.000 Euro an die NWTU bezahlen. Denn das Gericht sieht es als erwiesen an, dass er als ehemaliger Vereinsvorsitzender der Klägerin seine Pflichten nicht vernachlässigt hat, ebenso wenig seine mitgliedschaftlichen Treuepflichten gegen die Deutsche Taekwondo Union (DTU). Das klare Urteil des Landgerichts ist gleichzeitig ein Schlag ins Gesicht all jener, die über Monate hinweg neben Antonio Barbarino auch dessen Rechtsanwalt Dr. Michael Lehner (Heidelberg) im Internet verunglimpft haben. Das Gericht kommt zu dem Schluss, dass es der NWTU schlichtweg an einem Schaden mangelt, den der Beklagte Antonio Barbarino verursacht haben soll – und der eine Klage begründen könnte. Ebenso gibt es keinen nachgewiesenen Schaden bei der DTU, die ihre Ansprüche an die NWTU abgetreten hatte. Weiterhin ist keine Täuschungshandlung des Beklagten erkennbar – weder nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme mit den Zeugen Gerd Kohlhofer, Manuel Kolb und Dr. h.c. Soo-Nam Park noch aus der persönlichen Anhörung der Kläger oder den zahlreichen eingereichten Unterlagen beider Parteien. Auf diese Weise kommt eine haarsträubende Episode der jüngeren Taekwondo- Geschichte zu einem vorläufigen Endpunkt. Denn damit die NWTU überhaupt gegen Barbarino klagen konnte, bedurfte es einiger Winkelzüge, die dem juristischen Laien so wohl noch nicht untergekommen sind. Wir versuchen ein wenig Licht in die Angelegenheit zu bringen.

Worum geht es in der Klage?

Ort des Geschehens: Das Landgericht Siegen (Foto: Bob Ionescu via Wikimedia Commons)

Wie bereits erwähnt spielt die Summe von rund 25.000 Euro – in der Klageschrift konkret auf 24.420,99 Euro beziffert – eine große Rolle. Versuchen wir also zu ergründen, was es mit diesen 25.000 Euro auf sich hat:

1.) Am 20. Juli 2015 stellte der Vizepräsident Wirtschaft und Finanzen der DTU Gerd Kohlhofer einen Antrag mit dem Wortlaut: „Ich beantrage, dass die Deutsche Taekwondo Union zur Unterstützung des WTF President’s Cup 2016 (01.-03. April 2016 in Bonn) 25.000 € aus Eigenmitteln zur Verfügung stellt. Ich bitte um die freundliche Zustimmung der Präsidiumskollegen.“ Dem Antrag voran gegangen war ein Treffen von Gerd Kohlhofer, Antonio Barbarino (damals noch NWTU-Präsident), Dimitrios Lautenschläger (TKD Verein Swisttal) und dem Präsidenten von World Taekwondo Europe (WTE) Athanasios Pragalos in Nürnberg. Zur Erklärung: Der WTF President’s Cup (heute WT President’s Cup) ist ein G2 Turnier, das jährlich in allen Kontinentalverbänden stattfindet. Die Teilnehmer haben die Möglichkeit, sich durch eine Platzierung für die jeweilige Kontinentalmeisterschaft zu qualifizieren. Der WT President’s Cup 2016 in Bonn war der erste in der Geschichte des Taekwondo und stellt deshalb einen besonderen Meilenstein dar.

2.) Am 17. August 2015 teilte die Geschäftsstelle der DTU dem Präsidium mit, dass der Antrag von Gerd Kohlhofer vom Präsidium einstimmig angenommen worden war. Gerd Kohlhofer überwies daraufhin 20.000 Euro vom Konto der DTU auf das Konto der ETU (heute WTE) und 5.000 Euro auf das Konto der NWTU.

3.) Vom 07. bis 10. April 2016 fand der WT President’s Cup wie geplant in Bonn statt. Es handelte sich um die erste Auflage dieses neuen Turnierformats und entsprechend prestigeträchtig war die Gästeliste. Anwesend waren unter anderem der World Taekwondo Präsident Chungwon Choue und der World Taekwondo Europe President Athanasios Pragalos. Der damalige Präsident des Internationalen Paralympischen Komitees Sir Philip Craven wurde mit dem 10. Dan ausgezeichnet. Auch der Bonner Oberbürgermeister Ashok-Alexander Sridharan war unter den Ehrengästen. Für den Taekwondosport in Deutschland war das Event also durchaus ein Aushängeschild. Die DTU war unter anderem durch die Vizepräsidenten Musa Cicek, Gerd Kohlhofer, Manuel Kolb und Randolf Baldauf sowie Stev Brauner von der DTU-Jugend vertreten, die dem VIP-Empfang am 8. April beiwohnten.

Der President’s Cup in Bonn war ein Turniererfolg, hatte aber in Deutschland ein unrühmliches Nachspiel

4.) Man sollten meinen, dass das Projekt „WT President’s Cup in Deutschland“ damit zu einem erfolgreichen Abschluss gekommen sei. Doch weit gefehlt … Denn die genannten Vertreter der DTU nutzten ihren Aufenthalt im Bonn um gleich am darauf folgenden Morgen des 9. Aprileine außerordentlichen Präsidiumssitzung durchzuführen. Zu dieser Sitzung stellte DTU-Vizepräsident Musa Cicek den Antrag, das DTU Präsidium möge „die Aufhebung des Beschlusses [den President’s Cup zu bezuschussen] und gleichzeitig die Zahlungsrückforderung an die geleisteten Stellen“ beschließen.

Was meinte er damit? Da er von „geleisteten Stellen“ (in der Mehrzahl) spricht vermutlich eine Rückforderung an NWTU und WTE? Oder hatte Musa Cicek in seiner Funktion als DTU-Vizepräsident tatsächlich beantragt, die DTU möge doch gleich die ganzen 25.000 Euro von der NWTU, der er selbst als Präsident vorstand, zurückfordern?

Man sieht schon: Spätestens jetztwird die Sache verzwickt und durch die vielen Doppel-Funktionen in den Verbänden recht unübersichtlich.

Begründet wurde der Antrag damit, dass die DTU bei Beschlussfassung im August 2015 davon ausgegangen sei, dass die NWTU Mitausrichter des President’s Cup ist. Im Nachhinein habe sich herausgestellt, dass dies gar nicht der Fall war, Antonio Barbarino habe die DTU arglistig getäuscht. Der DTU-Zuschuss sollte eigentlich ausschließlich der finanziellen Entlastung der NWTU dienen. Dass dies im Beschlusstext seinerzeit keinerlei Niederschlag gefunden hatte, spielte ebenso wenig eine Rolle, wie die unstrittige Tatsache, dass der Löwenanteil des Zuschusses direkt an die ETU/WTE gezahlt worden war.

5.) Am 3. Juni 2016 überwies die NWTU der DTU 25.000 Euro mit dem Verwendungszweck „Rückerstattung Mittelzuweisung President’s Cup 2016“. Die NWTU hatte allerdings lediglich eine Zahlung von 5.000 Euro erhalten. Warum zahlte sie 25.000 Euro zurück, die sie niemals erhalten hatte? Wenn die NWTU/DTU denn von ihren Ansprüchen überzeugt waren, wäre es nicht ratsamer gewesen, zunächst 20.000 Euro von der „geleisteten Stelle“, der ETU/WTE zurück zu fordern?

6.) Am 3. Juni 2016 beschloss das DTU-Präsidium der NWTU einen Kredit in Höhe von 20.000 Euro zu zahlen. Da der Beschluss auf denselben Tag fällt, an dem die NWTU ihre Zahlung an die DTU leistete, liegt die Vermutung nahe, dass die DTU mit ihrem Kredit diese Rückzahlung erst ermöglichte. Dass der NWTU-Präsident MusaCicek zugleich Mitglied im Präsidium der DTU ist, also zugleich Kreditempfänger und Mit-Kreditbewilliger, ist in der Außenwirkung – vorsichtig formuliert – unglücklich. Dass Musa Cicek dazu auch noch den Antrag gestellt hatte, die DTU möge den gezahlten Zuschuss zurück fordern, tut ein übriges.

7.) Am 8. Juni 2016 erhob die NWTU Klage gegen Antonio Barbarino und beantragte die Rückzahlung von 24.420,99 Euro. Vor diesem Hintergrund wird klar, warum die NWTU fünf Tage vorher 25.000 Euro an die DTU gezahlt hatte – sie hatte sich damit – vereinfacht gesprochen – das Recht erkauft, gegen Antonio Barbarino zu klagen. Denn ohne die Rückzahlung von 25.000 Euro von der NWTU an die DTU wäre der NWTU bis zu diesem Zeitpunkt kein Schaden entstanden.

8.) Am 10. Oktober 2017 wird die Klage der NWTU gegen Antonio Barbarino vom Landgericht Siegen abgewiesen. Die NWTU könnte nun innerhalb eines Monats Berufung einlegen. Ob der finanziell ohnehin angeschlagene Verband dieses Risiko eingeht, ist offen. Immerhin haben dem Vernehmen nach bereits verschiedene andere verlorene Prozesse wegen Vereinsausschlüssen und Trainerentlassungen tiefe Löcher in die Verbandskassen gerissen, ebenso natürlich die nun abgewiesene Klage gegen Antonio Barbarino, die allein mit zwei Verhandlungsterminen zu Buche schlägt.

Und wie geht es weiter?

Offen bleibt momentan auch, ob die NWTU die an die DTU gezahlten 25.000 Euro nun zurückfordern wird. Denn nachdem das Gericht keine Täuschung erkennen konnte, hatte die DTU keinen Anspruch auf diese Rückerstattung. Zahlt die DTU der NWTU ihre 25.000 Euro zurück und die NWTU der DTU den geleisteten Kredit, so ist der Urzustand in dieser Angelegenheit wieder hergestellt. Übrig bleiben hohe Prozess-Kosten bei der NWTU, eine Menge zerschlagenes Porzellan im In- und Ausland und ein ungutes Gefühl – sollten Verbände wirklich so mit ihrem Mitteln wirtschaften?

Cui bono?

Stellt sich nur die Frage: Warum das alles? Warum gingen NWTU und DTU das Risiko eines konstruierten und auf wackeligen Füßen stehende Rechtsstreits ein? Warum haben sie Zahlungen geleistet – von der NWTU an die DTU und umgekehrt – die sich im Nachhinein als ungerechtfertigt erwiesen und bereits zum Verdacht der Untreue geführt haben? Auf eine Auskunft der Beteiligten zu hoffen ist zum momentanen Zeitpunkt wohl müßig. Eine naheliegende Hypothese ist, dass im Gerichtssaal eine Streitigkeit ausgetragen wurde, die ihren Ursprung an ganz anderer Stelle hat. Auf der einen Seite steht die NWTU, auf der anderen Antonio Barbarino, der hier zwar als Privatperson belangt wurde, der aber zugleich Präsident der Taekwondo Union Nordrhein-Westfalen (TU NRW) ist. Es ist durch viele Aktionen ersichtlich, dass es nicht im Interesse der NWTU ist, dass sich auf ihrem Terrain ein zweiter Verband gegründet hat. Wird nun der Ruf des TU NRW-Präsidenten durch einen verlorenen Rechtsstreit beschädigt, so würde das den Interessen der NWTU sehr nützen. Interessant an dieser Stelle: Die Klage fällt auf den 8. Juni, etwa zwei Monate nachdem die DTU beschlossen hatte, den Zuschuss von den „geleisteten Stellen“ zurück zu fordern. Warum ließ man sich so viel Zeit? War man zwischenzeitlich unschlüssig geworden? Am 25. Mai 2016 wurde die TU NRW vorläufig in den Dachverband für Budo-Techniken aufgenommen worden – ein wichtiger Schritt hin zur DTU-Mitgliedschaft. Gab diese Entwicklung den Ausschlag, die bereits in die Wege geleitete Aktion gegen Antonio Barbarino gerade jetzt in die Tat umzusetzen? Das ist eine Vermutung, allerdings eine, die recht gut in das Bild von Heimtücke und Hinterlist passt, das sich dem Beobachter aufdrängt. Eines jedenfalls ist bei alledem unstrittig :Als Partner für Großveranstaltungen hat sich die DTU durch das ganze Prozedere für die Zukunft nicht empfohlen.

Hat der Staatsanwalt das letzte Wort?

Durch das Urteil des Landgerichts Siegen ist klar: Die als „Rückerstattung“ deklarierte Zahlung von von 25.000 Euro von der NWTU an die DTU war nicht geboten. Die NWTU war zu der Zahlung nicht verpflichtet, nicht rechtlich und schon gar nicht moralisch. Stattdessen sieht es ganz danach aus, als habe es sich dabei lediglich um einen Schachzug in einer groß angelegten Rufmord-Kampagne gehandelt – wobei die vorsätzliche finanzielle Schädigung des eigenen Verbands in Kauf genommen wurde. Das Urteil des Landgerichts dürfte sich auch auf das bei der Staatsanwaltschaft Siegen laufende Verfahren wegen Untreue gegen das Präsidium der NWTU und DTU niederschlagen. In diesem Falle würde sich die konstruierte Klage der NWTU am Ende als klassisches Eigentor erweisen. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang eine Passage in der Urteilsbegründung, in der das Landgericht darlegt, dass sich „kein Anhalt oder Nachweis“ findet für die Aussage des Zeugen Gerd Kohlhofer, man habe lediglich die NWTU unterstützen wollen. War demnach die Aussage des DTU-Vizepräsidenten Wirtschaft und Finanzen falsch, so könnte dies im laufenden Verfahren bei der Staatsanwaltschaft noch eine besondere Rolle spielen.