Wendepunkt für Korea
Wendepunkt für Taekwondo
Olympische Spiele Seoul 1988

Taekwondo-Fans sind die Olympischen Spiele von Seoul vor allem ein Begriff, weil Taekwondo dort erstmals als Demonstrationssportart vertreten war – die Initialzündung für die internationale Entwicklung des Sports. Doch die Spiele waren auch ein Katalysator für die Modernisierung Koreas – vermutlich mehr als jede anderen Sportveranstaltung in der Geschichte für eine Nation.

Die Olympischen Spiele haben heute merklich an Glanz verloren: Korruptionsvorwürfe und Kommerzialisierung verderben der Weltgemeinde die Freude an der Veranstaltung, ebenso wie Berichte über Menschenrechtsverletzungen in Gaststaaten oder  Bilder von nutzlos verlotternden Stadien. Die deutschen Bürger haben klar gemacht, dass sie auf eine Olympiabewerbung keinen Wert legen und Sportdeutschland begeistert sich stattdessen für die Idee der alternativen Multi-Europameisterschaften.

In den 70er und 80er Jahren war die Situation eine andere und der internationale Enthusiasmus für die Olympischen Spiele war ungebrochen. Dass 1981, bei der 84. Olympischen Session in Baden-Baden, gerade die koreanische Hauptstadt Seoul zur Gastgeberin der Spiele gekürt wurde, war deshalb mehr als überraschend. Süd-Korea galt international als bedürftiges Drittweltland, dessen Image noch immer durch die japanische Besatzung und den Korea-Krieg geprägt wurde. Als Sportnation spielte es keine Rolle und was noch schlimmer war: Es war von keinem kommunistischen Land diplomatisch anerkannt. Auch innenpolitisch waren die Voraussetzungen nicht ideal, um die Welt willkommen zu heißen: Der 1980 durch einen Putsch an die Macht gekommene Chun Doo-Hwan hatte im Land eine Militärdiktatur installiert, unterdrückte Demokratiebestrebungen und ließ im selben Jahr den Gwangju-Aufstand blutig niederschlagen.

Die ersten olympischen Spiele in einem Entwicklungsland

Warum sich Korea dennoch mit 52 zu 27 Stimmen gegen Mitbewerberin Nagoya (Japan) durchsetzen konnte ist nicht abschließend geklärt. Eine Rolle spielte sicherlich die Tatsache dass die Spiele 1980 in Moskau von 30 Nationen – darunter auch Deutschland – boykottiert worden waren. Sie brachten damit ihren Widerstand gegen den sowjetischen Einmarsch in Afghanistan zum Ausdruck. Weitere Boykotte wurden erwartet und tatsächlich blieben die UDSSR und sämtliche Ostblockstaaten mit Ausnahme Rumäniens den Spielen 1984 in Los Angeles fern. In dieser Situation zogen Mitbewerber Melbourne (Australien) und Athen (Griechenland) schon vor der Abstimmung ihre Kandidatur zurück. Gegen Nagoya sprachen Anti-Olympia-Demonstrationen von Bürgern und arrogante Lobbyisten. Für Korea sprach die Tatsache, dass das Land neu war auf der olympischen Landkarte – Japan hatte bereits die Spiele 1964 in Tokio ausgerichtet – ebenso wie die extreme Zielstrebigkeit der Verantwortlichen. Ausgerechnet der früheren Kolonialmacht Japan zu unterliegen, war unvorstellbar und entfesselte das Engagement von Regierung und Wirtschaft. Insbesondere die Chaebols – die großen Familienkonzerne – nutzen ihre internationalen Beziehungen. Eine sehr große Rolle dürfte auch Kim Un-Yong gespielt haben, der die Bewerbung leitete. Sein olympischer Stern war damals gerade am Aufgehen und während der Ägide von Juan Antonio Samaranch, die 1980 begann, galt er als bei vielen als zweitwichtigster Olympier nach dem Präsidenten.

Was immer der Grund war: Seoul gewann und wurde damit – wie die zeitgenössische Presse vermeldete – „die erste Stadt in einem Entwicklungsland, die den Zuschlag für die Spiele erhielt“.

Sex, Sport und Filme

Warum das Land die Spiele unbedingt haben wollte, ist besser dokumentiert. Die Idee dafür entstand schon unter Präsident Park Chung-Hee und wurde nach dessen Ermordung von Nachfolger Chun Doo-Hwan fortgeführt. Beide waren de facto Diktatoren und rechneten sich von der größten Sportveranstaltung der Welt eine Legitimation für ihre Regimes aus. Gleichzeitig erhofften sie sich einen „Japan-Effekt“: Ähnlich wie Japan mit den Spielen von Tokio 1964 wollten sie der Welt ihre erstarkende Wirtschaft demonstrieren und sich als Partner empfehlen – auch für kommunistische Länder wie China. Insbesondere für Chun Doo-Hwan war Olympia außerdem ein wichtiger Baustein für seine 3S-Politik, eine moderne Variante von „Brot und Spielen“. 3S steht für „Sex, Sport und Leinwand“ (englisch Screen) und beschreibt die Mittel, mit denen der Diktator seine zunehmend unzufriedener werdenden Bürger ruhig halten wollte. Chun profilierte sich deshalb nicht nur als Ausrichter der Olympischen Spiele – in seiner Amtszeit wurden auch die koreanischen Profi-Baseball und -Fußball-Ligen gegründet, landesweites Farbfernsehen eingeführt und die Sperrstunde abgeschafft. Die Filmindustrie beschäftigte sich mit erotischen Themen – während alles was als regierungskritisch ausgelegt werden könnte, dem Zensor zum Opfer fiel.

Ende der Militärdiktatur

Bis hierher passen die Spiele von Seoul 1988 also hervorragend in das Schema „Olympische Spiele werden in Land mit zweifelhaftem Regime vergeben und verhelfen diesem zu Anerkennung“. Doch in Korea spielte sich eine zweite Variante der Handlung ab: „Spiele werden in Autokratie vergeben und unter den Augen der Weltöffentlichkeit ergibt sich eine Wendung zum Positiven“. Tatsächlich griff Chuns 3S-Politik immer weniger in der Bevölkerung und im Sommer 1987 kam es zum so genannten Juni-Aufstand mit Massen-Protesten, bei denen Demonstranten freie Präsidentschaftswahlen und demokratische Reformen forderten. Im unmittelbaren Vorfeld der Olympischen Spiele und im Fokus der Weltöffentlichkeit konnte Chun nicht mehr verfahren, wie noch 1980 beim Gwangju-Aufstand: Die Chun-Regierung war gezwungen, die Durchführung von Präsidentschaftswahlen Ende 1987 und Verfassungsreformen bekannt zu geben. Chun wurde abgewählt, im folgte Roh Tae-Woo im Amt nach. Ironie des Schicksals: Der Diktator, der die olympischen Spiele für seine Zwecke instrumentalisieren wollte, kam eben dadurch zu Fall.

Imagewandel für Korea

Auch in vielen anderen Bereichen waren die Olympischen Spiele hilfreich für das Gastland Korea. Denn auch wenn das Land international noch als Entwicklungsland wahrgenommen wurde, hatte bereits seit den 60er Jahren ein stetiges Wirtschaftswachstum eingesetzt. In den 80ern waren die Mittel da, um das Land auf den Besuch der Welt vorzubereiten. Davon profitierte vor allem die Hauptstadt Seoul. Hier wurden die Infrastruktur verbessert und Maßnahmen zur Wasser- und Luftreinhaltung ergriffen. Museen und Parks standen ebenso im Fokus wie öffentliche Toiletten. Die vielen mehrsprachigen Hinweistafeln auf historische Sehenswürdigkeiten, die heuten noch im Stadtbild zu finden sind, wurden ursprünglich für die Besucher der Spiele angebracht. Baumaßnahmen im großen Stil kurbelten die Wirtschaft an. Die Erfolgsgeschichte hatte ihre Schattenseiten: Menschenrechtsgruppen gehen davon aus dass 700.000 Menschen im Zuge der Olympischen Spiele zwangsweise umgesiedelt wurden, um Platz für Bauprojekte zu machen.

Unterm Strich soll der koreanische Staat trotz riesiger Investitionen 335 Millionen Dollar durch die Olympischen Spiele gewonnen haben, insbesondere durch Fernsehrechte, Tourismus, Sponsoring und Bauprojekte. Die Besucher waren beeindruckt – der Weltöffentlichkeit wurde klar, dass Korea kein Entwicklungsland mehr war, sondern bereits eine Mittelmacht. Dieser Imagewandel führte zu einem neuen Selbstbewusstsein im Land, und zu weiterem Wachstum. Die Koreaner hatten sich als erfolgreiche Gastgeber für internationales Publikum erwiesen und entdeckten im Gegenzug ihr Interesse an Auslandsreisen – was unter die Militärdiktatur ohnehin nur sehr eingeschränkt möglich gewesen war. Gleichzeitig stellten die Olympischen Spiele die ersten Chance für Korea dar, erfolgreich diplomatische Beziehungen insbesondere zu kommunistischen Ländern aufzunehmen – diese war  wichtig, um sich langfristig gegen den schwierigen Nachbar Nordkorea zu behaupten.

Auch ein Terroranschlag kann die Erfolgsgeschichte stoppen

Wirtschaftlich, politisch und sportlich waren die Spiele ein riesiger Erfolg für Korea. Einen empfindlichen Rückschlag hatte es allerdings 1987 gegeben, als Nordkorea eine südkoreanische Passagiermaschine zum Absturz brachte. Die Nordkoreaner hatten sich darum bemüht, am olympischen Fest teilzuhaben und einige Disziplinen jenseits der Grenze auszutragen – vergeblich. Daraufhin wurden zwei Agenten eingesetzt, die am 29. November im Korean Air Flug 858 eine Bombe deponierten und sich bei einer Zwischenlandung in Sicherheit brachten – alle 115 Passagiere an Bord fielen dem Anschlag zum Opfer. Obwohl Nordkorea seine Beteiligung stets bestritt, waren die Beweise erdrückend: Die beiden Agenten wurden festgenommen und während sich einer der beiden mit Cyanid umbrachte, überlebte die 25-jährige Kim Hyon-hui und gestand. Es ist aus heutiger Sicht schwer vorstellbar, warum unter diesen Umständen – Terroranschlag im Vorfeld der Spiele – keine Panik unter den Nationalen Olympischen Komitees ausbrach. Immerhin hielt die CIA noch im Mai 1988 fest, Nord Korea sei das größte Sicherheitsrisiko für Olympia in Seoul und die internationalen Luftverbindungen seien anfällig für Sabotage und geeignet als Transportmittel für Terroristen. Dennoch erreichte der Norden sein Ziel, die Spiele zu sabotieren, nicht. Auch der Versuch, sozialistische Bruderstaaten zum Boykott zu überreden, scheiterte: Bereits Anfang 1988 gaben die Sowjetunion und China bekannt, dass sie teilnehmen würden. Nach drei von Boykotten geprägten Spielen, war die Welt in Seoul wieder vereint. Lediglich Nordkorea und Kuba boykottierten, außerdem nahmen Nicaragua, Albanien, Äthiopien und die Seychellen aus anderen Gründen nicht teil. Damit waren die Spiele von Seoul die bis dato größten in der Geschichte und für viele Zeitgenossen ein Zeichen dafür, dass der kalte Krieg vorüber war.

Größter sportlicher Erfolg: Taekwondo bei Olympia

Auch sportlich waren die Spiele von Seoul ein Erfolg für Korea: Immerhin konnte es 12 Goldmedaillen verbuchen, das waren doppelt so viele als in Los Angeles und immerhin eine mehr, als Westdeutschland gewann. Aber der größte sportliche Erfolg war sicherlich, Taekwondo ins Licht der Weltöffentlichkeit zur rücken. Einen Vorgeschmack gab die Eröffnungszeremonie, bei der 1.000 Sportler Taekwondo vorführten – bis heute eines der ikonischen Bilder der Taekwondogeschichte. Zur Wirkung trug sicherlich bei, dass die Eröffnungszeremonie von Seoul die letzte war, die bei Tageslicht stattfand – ein krasser Unterschied zu den High-Tech-Shows moderner Spiele.

Der damalige DTU-Präsident Hans Siegel
TUBW-Präsident Wolfgang Brückel war Referee in Seoul

Daneben war Taekwondo vom 17. bis 20. September 1988 auch Demonstrationssportart – als Gastland hatte Korea ein Anrecht darauf, „seinen“ Sport ins Programm zu nehmen. Von der Weltöffentlichkeit wurde Taekwondo in Seoul durchaus wohlwollend aufgenommen, aber daran dass es reguläre olympische Disziplin werden konnte, dachten viele nicht im Traum „Obwohl der Sport weltweit wächst, dürfte er Probleme haben in die offizielle olympische Familie aufgenommen zu werden. Er ist in Barcelona 1992 wieder dabei aber noch nicht einmal in der engeren Wahl für den Medaillen-Status, wo Olympische Offizielle bereits von Kürzungen sprechen“, schrieb etwa die New York Times. Ein Hemmschuh war sicherlich die extrem starke koreanische Prägung des Sports, denn nicht nur die koreanischen Organisatoren und Offiziellen des Weltverbands dominierten das Geschehen, auch die anderen Nationen entsandten zahlreiche Auslands-Koreaner als Coaches, Teilnehmer und auch als Kampfrichter. „Nur etwa 30 Prozent waren Nicht-Koreaner“, erinnert sich Reza Zadehmohammad, der als Kampfrichter knapp daran vorbeischrammte, einen Skandal zu produzieren – war er doch Center Referee im einzigen Herren-Finale, das nicht an Korea ging. Die Tatsache, dass Korea sieben von acht Herrentiteln gewann, war zwar – soweit sich das im Rückblick feststellen lässt – eher der extremen sportlichen Dominanz Koreas als parteiischen Unparteiischen geschuldet. Trotzdem trug es nicht dazu bei, die internationale Sportwelt für Taekwondo zu erwärmen. In der Taekwondo-Szene hingegen war man bereits 1988 zuversichtlich: „Es war ja bereits bekannt, dass Taekwondo in Barcelona 1992 zum zweiten Mal ans Demonstrationssportart dabei sein würde, obwohl dieser Fall in den olympischen Regularien nicht vorgesehen war. Dazu war uns bekannt, dass Un Yong-Kim sportpolitisch großen Einfluss und engen Kontakt zur IOC-Führung hatte. Natürlich haben wir uns deshalb große Hoffnungen gemacht“, erinnert sich der heutige Präsident der Taekwondo Union Baden-Württemberg Wolfgang Brückel der als international Referee in Seoul war. Diese Hoffnungen wurden nicht enttäuscht: Bei der 103. IOC Session in Paris 1994 wurde Taekwondo in den Kreis der olympischen Disziplinen gewählt – eine Entwicklung, die ohne die Spiele von Seoul nicht möglich gewesen wäre.

Im Wechselbad der olympischen Emotionen:
Dr. Reza Zadehmohammad

Der Präsident des Österreichischen Taekwondo Verbands war 1988 als Kampfrichter in Seoul 

TA: Taekwondo-Insider sprechen noch heute vom Schwergewichts-Finale bei den Olympischen Spielen 1988 in Seoul. Was war da passiert?

Dr. Reza Zadehmohammad: Zunächst einmal müssen wir uns zurück versetzen in die 80er Jahre. Damals war der Sport extrem koreanisch geprägt. Über 90 Prozent der Goldmedaillen bei großen Turnieren gingen nach Korea. Dann war Korea bei den Olympischen Spielen Gastgeber für seinen Nationalsport – da waren die patriotischen Gefühle besonders stark. Das war deutlich zu spüren, wenn ein Koreaner auf der Fläche war, besonders natürlich im Finale.

TA: Hatte der Weltverband sich darauf eingestellt?

Viertelfinale Michael Arndt – Henk Meijer

Dr. Reza Zademohammad: Ja sicher. Es waren die erfahrensten und namhaftesten Kampfrichter eingeladen worden. Aus Europa waren vier oder fünf Referees dabei. Damals war die Organisation ja noch lange nicht so weit, dass jede Mitgliedsnation des Weltverbands auch einen Kampfrichter stellen konnte. Außerdem war das Bild auch hier sehr koreanisch, da viele Kampfrichter Auslandskoreaner waren, die aber für ihre jeweilige Wahlheimat aktiv waren.

TA: Sie waren dann Center Referee für das Finale USA – Korea im Schwergewicht – sicherlich ein mit Spannung erwarteter Kampf, zumal diese Klasse nicht die koreanische Stärke war. Bei den beiden Weltmeisterschaften zuvor hatte mit Henk Meijer und Michael Arndt jeweils ein Nicht-Koreaner gewonnen.

Dr. Reza Zadehmohammad: Richtig. Wobei der koreanische Sportler, Kim Jong-Suk, wirklich ein sehr guter Kämpfer war – das Problem war sein Coach. Dieser ist ständig aufgesprungen und hat geschrien, das war laut Regelwerk verboten. Ein Kampf ging damals über drei Runden à drei Minuten – es war fürchterlich, die Teilnehmer aus den anderen Nationen haben sich über den koreanischen Coach beschwert. Ich bin mehrmals zum ihm gegangen und habe ihm angekündigt, dass ich seinen Kämpfer verwarnen muss, wenn er keine Ruhe gibt. In der dritten Runde ging es nicht länger, ich musste eine Verwarnung aussprechen. Am Ende war diese Verwarnung der Grund dafür, dass der Koreaner verloren hat und der Amerikaner Jimmy Kim – übrigens ebenfalls koreanisch-stämmig – gewann.

TA: Wie waren die Reaktionen?

Dr. Reza Zadehmohammad: Zunächst einmal war alles ganz normal, ich hatte das Gefühl, dass alle, sogar der Kämpfer verstanden haben, dass ich als Kampfrichter keine andere Wahl hatte. Aber nach zehn Minuten wurde ich plötzlich abgeholt und aus der Halle geführt. Da wollten dann schon die ersten Anwesenden handgreiflich werden, aber einige Kampfrichter sind ihrerseits aufgestanden, um mich zu unterstützen – er war wie im Film. Ich wurde dann in einen Raum gebracht mit lauter wichtigen Leuten. In der Zwischenzeit war auch Soo-Nam Park dazu gekommen, der deutsche Olympiatrainer, um zu übersetzen und mich zu unterstützen. Man unterbreitete mir ein Schriftstück, ich sollte unterschreiben, dass ich einen Fehler gemacht habe und das Kyongo zurücknehmen. Das habe ich abgelehnt, ich hatte ja korrekt gewertet. Darauf hat man mir gesagt, dass ich meine Kampfrichterlizenz verlieren würde – die habe ich gleich selbst zurückgegeben. Danach konnte ich gehen. Auf dem Gang sind dann gleich wieder einige Koreaner auf mich losgegangen, aber meine Kampfrichterkollegen und Park haben mich in Schutz genommen.

TA: Sind sie danach noch gut nach Hause gekommen?

Dr. Reza Zadehmohammad: Das Ganze hatte sich wohl an höhere Stellen in der Taekwondo-Organisation herumgesprochen und die sorgten dafür, dass es keine weiteren Probleme gab, im Gegenteil. Wir Kampfrichter wurden von Militärpolizei sicher zu den Bussen gebracht. Im Olympischen Dorf habe ich eine Suite bekommen und zwei Polizisten zur Bewachung. Dazu viele Geschenke – ich hatte 150 Kilogramm Gepäck auf dem Rückflug – und man hat mich eingeladen, zwei Wochen länger in Korea zu bleiben um Urlaub zu machen.

TA: Wie war ihr Eindruck insgesamt – hatten Sie damals schon die Hoffnung, dass Taekwondo olympisch bleibt?

Dr. Reza Zadehmohammad: Absolut. Taekwondo bei der Eröffnungsfeier war beeindruckend und das Gastspiel als Sport gelungen. Dazu stand Un-Yong Kim dahinter. Wir waren sehr zuversichtlich.

TA: Dankeschön für dieses Gespräch.

Wussten Sie schon…?
Eine neue Ära der paralympischen Spiele

Seoul setzte Maßstäbe – auch für die Paralympischen Spiele. Zum ersten Mal seit 24 Jahren fanden die Paralympics – der Name wurde übrigens in Seoul geprägt – wieder am selben Ort statt wie die Olympischen Spiele. Heute ist undenkbar, dass es anders sein könnte. Auch hinsichtlich Größe und Organisation des Events war Seoul ein Vorbild: Die Athleten konnten sich in den neuen, extra für Olympia gebauten Hallen und Sportzentren messen und das Olympische Dorf nutzen. Mit 3.057 Teilnehmern aus 61 Nationen, 6.431 Volunteers, 2.368 Medienvertretern und 75.000 Zuschauern bei der Eröffnungsfeier wurde in Seoul einen neue Ära der paralympischen Spiele eingeläutet.

Showdown am späten Vormittag

Der denkwürdigste Kampf der Spiele 1988 war sicherlich das 100 Meter Finale zwischen Ben Johnson und Carl Lewis – natürlich zunächst einmal wegen des daran anschließenden Doping-Skandals um Johnson. Auch interessant: Dieser Kampf der Giganten fand am späten Vormittag statt – nicht eben die attraktivste Zeit für das Heimpublikum. Aber die Spiele von Seoul waren die ersten, bei denen die wichtigen Kämpfe an die Fernseh-Sendezeiten in den USA angepasst wurden.

Fotos: Hans Siegel, Foto Wolfgang Brückel: Privat, Schlusszeremonie: Wikimedia Commons