Neujahrsvorsätze
aus Sicht der Sportpsychologie

Von Kevin Speer (Aus TA Januar / 2016)

„Dieses Jahr mach ich alles besser! Dieses Mal werde ich alles geben!“ Jedes Jahr stehen wir wieder vor der Entscheidung, welche guten Vorsätze wir realisieren wollen.

Knapp 80 Prozent dieser Vorsätze scheitern jedoch leider kläglich. Somit schafft es rechnerisch nur jeder fünfte, seine Wünsche für das neue Jahr zu erfüllen. Wieso ist diese „Drop-Out Quote“ nur so hoch und wie können wir eventuell unsere Zielsetzung so anpassen, dass wir 2022 endlich durchstarten? Passend zum Datum möchte ich Ihnen diesen Monat zeigen, was wir mit Hilfe der Erkenntnisse der Sportpsychologie an unserer Zielsetzung verändern können, um endlich das zu erreichen, was wir uns schon seit ewigen Zeiten vornehmen.

Wenn Sie vielleicht schon ein paar Jahre beim Taekwondo dabei sind und jedes Mal Vorfreude entwickeln, wenn es wieder Zeit fürs Training ist, dann sind Sie intrinsisch motiviert. Der Drang/der Wille das Training zu besuchen kommt ganz automatisch von innen heraus, egal welche Zielsetzung Sie haben: Ob Sie nun freizeitmäßig zum Training gehen, um Spaß zu haben, oder leistungssportlich ambitioniert sind – Sie werden beim Gedanken an das Training Vorfreude entwickeln. Wenn wir mit Leistungssportlern zusammenarbeiten, dann müssen diese natürlich genügend Motivation aufbringen können, um zwei bis sogar manchmal drei Trainingseinheiten täglich, je nach Zeitpunkt in der Wettkampfsaison, durchzustehen. Dies fällt ihnen in den meisten Fällen auch unglaublich leicht. Denn sie können ihr Training mit Ihren persönlichen Zielen und Wertvorstellungen sehr gut vereinbaren. Sie setzen somit gerne die Priorität auf das Training und schränken andere Bereiche ihres Lebens ein. Hierbei sehen wir bereits: Wollen wir uns auf einen bestimmten Bereich unseres Lebens fokussieren, so müssen wir akzeptieren, dass wir andere Bereiche einschränken müssen.

Mehr als eine Formfrage: Ziele richtig formulieren

Die erste Frage, die dabei aufkommt: „Ist es das Ziel wert, so viel Zeit zu investieren?“. Leider finden wir viel zu oft Sportler, die hochmotiviert mit einem riesigen Trainingsumfang starten um nach kurzer Zeit zu merken, dass sie so viel Zeit überhaupt nicht dauerhaft investieren wollen oder können. Das Problem dabei ist eindeutig die Planung im Vorfeld!  Der erste Schritt zur Erreichung Ihrer Neujahrvorsätze ist die richtige Auswahl von Zielen und die richtige Formulierung! Auch wenn es im ersten Moment für uns nicht sehr wichtig wirkt, ist eine zielorientierte Formulierung absolut entscheidend, wenn wir dieses Jahr durchstarten wollen. Typische Neujahrsvorsätze lauten meist: „Ich möchte etwas abnehmen; Ich möchte öfter zum Sport gehen; usw.“

Mit der SMART-Regel ans Ziel

Solche Formulierungen lassen uns einfach viel zu viel Platz zum „schummeln“. Wir können uns sehr viel schönreden, wären wir jedoch ehrlich zu uns selbst, würden wir erkennen, dass wir meistens weit entfernt davon liegen, unsere Ziele zu erreichen. Wie sieht also die Gegenmaßnahme aus, die sich in unzähliger Literatur finden lässt? Konkrete und detaillierte Zielformulierung mit der sogenannten SMART-Regel ist die Lösung! Jeder der Buchstaben dieser Regel steht für einen bestimmten Bereich der Formulierung und ist entscheiden für die Zielerreichung:

S = Spezifisch (das zu verändernde Merkmal wird genauestens beschrieben)

M = Messbar (mehr zum Sport zu gehen ist nicht direkt messbar, aber es mit einer konkreten Anzahl an Trainingseinheiten pro Woche zu verbinden erfüllt wiederum das Kriterium!)

A = Attraktiv (das Ziel sollte mit den persönlichen Wertvorstellungen übereinstimmen und wir müssen einen potenziellen Mehrwert durch die Erfüllung des Ziels finden)

R = Realistisch (es sollte genau überprüft werden, ob das Ziel im Rahmen des möglichen liegt; ein Gewichtsverlust von 12kg in zwei Monaten klingt vielleicht toll, aber ist das auch in der Zeit möglich?)

T = Timing (setzen eines klaren Termins oder Zeitraums bis das Ziel erreicht werden soll)

So wird aus „ich möchte etwas abnehmen“ mit wenigen Veränderungen „ich möchte bis zum 30.06.2022 mindestens drei Kilogramm Körpergewicht verloren haben“. Hier gibt es keinen Raum für Diskussionen, ebenso, wenn wir formulieren würden: „ich möchte dieses Jahres jede Woche mindestens zwei Mal für dreißig Minuten joggen gehen“.

Wie bleibe ich dran?

Nun sind wir schon auf einem guten Weg, jedoch finden wir immer wieder Millionen Ausreden und Gründe unsere Ziele hintenanzustellen. Wie können wir dies nun wieder verhindern? Genauso wie zur Vorbereitung auf einen Wettkampf gehen wir im Kopf jede mögliche Eventualität durch, die uns von unserem Ziel abhalten könnte. Bei unseren Neujahrsvorsätzen tun wir dafür einfach etwas total Widersprüchliches: Wir formulieren jetzt einfach zehn Gründe warum wir unser Ziel nicht erreichen könnten. Seien Sie kreativ und denken Sie an alle Zeitfresser, die Sie sonst immer von Ihren Vorhaben abhalten, wie z.B. das Verbringen des Abends vor dem Fernseher anstatt noch etwas für Ihre Vorsätze zu tun. Wenn Sie das geschafft haben, kommt der entscheidende Schritt dieser Strategie:

Formulieren Sie für jedes dieser Probleme eine Lösungsmöglichkeit bzw. Alternativaktivität, die Sie versuchen umzusetzen, wenn Sie wieder von Ihren Zielen abgehalten werden. Möglichkeiten für das Fernseh-Beispiel wäre: „Ich darf mich erst auf die Couch vor den Fernseher setzen, wenn ich meine tägliche Sporteinheit abgeschlossen habe“ oder „während ich fernsehe, darf ich nicht auf faul auf im Sessel sitzen, sondern nutze die Zeit zum Dehnen neben dem Sessel“. Wichtig ist es hier konsequent zu bleiben; Forscher gehen davon aus, dass ein neues Verhalten etwa 21 Tage braucht, damit es zu einer Routine wird. Ist dies geschafft, wird es uns im folgenden Verlauf viel leichter fallen, das Verhalten auszulösen.

Die Methoden für hartnäckige Ausreden

Wer das Ganze noch etwas steigern möchte, der kann dies mit extrinsischer Motivation tun. Wenn wir an unsere Schulzeit zurückdenken, müssen wir doch zugeben, dass wir dann am produktivsten waren, wenn wir negative Konsequenzen befürchteten: Egal ob wir zwei Tage vor einer Klassenarbeit anfingen zu lernen, um die Blamage einer schlechten Note zu verhindern, oder am Abend vor der Abgabe einer Hausarbeit noch schnell zwanzig Seiten hochwertige Schreibarbeit leisteten; wir hatten Angst vor den negativen Konsequenzen und haben somit eine Verhaltensreaktion aktiviert. Genau diese Situation können wir einfach rekonstruieren, indem wir unser soziales Umfeld in die Umsetzung unserer Vorsätze einspannen. Die erste Stufe wäre es möglichst vielen Leuten von Ihren Neujahrsvorsätzen zu erzählen. Dies erzeugt einen unfassbar hohen sozialen Druck, denn niemand will die unangenehme Situation erleben, wenn man auf seine Zielsetzung angesprochen wird und händeringend nach Ausreden sucht.

Die zweite Stufe kann genutzt werden, wenn ein Vorhaben schon seit langer Zeit immer wieder scheitert und man keinen Weg er mehr findet, dieses Ziel endlich zu erreichen. Schließen Sie einfach einen Vertrag mit einem guten Freund ab, der Sie öfter sieht und Ihr zu veränderndes Verhalten überprüfen kann. Dieser Vertrag beinhaltet das gesetzte Ziel und eine festgelegte Strafe, wenn dieses nicht erreicht wird. Diese Strafe muss dafür aber eine wirkliche Strafe sein. Ein Beispiel wäre: bei nicht Erreichung des Ziels einen bestimmten Geldbetrag, der einem auch wirklich weh tut, an eine Partei zu spenden, die man nicht ausstehen kann. Ich kann garantieren, Sie werden mit Sicherheit Ihr Ziel erreichen!

Kleine Kniffe, große Wirkung

Meine letzten Ratschläge sind auf den ersten Blick Kleinigkeiten, die jedoch einen großen Einfluss auf das erfolgreiche Erreiche Ihrer Ziele haben können:

Schreiben Sie Ihre Ziele auf und lesen Sie sich diesen Zettel mindestens einmal täglich laut vor. So bleiben Ihnen Ihre Ziele allseits präsent und Sie verlieren nicht den Fokus auf das Erreichen derselben.

Wenn es Ihnen zeitlich möglich ist, so ist es auch sehr hilfreich, sich gleich morgens Zeit zu nehmen, an der Realisierung ihrer Ziele zu arbeiten. Vielleicht nehmen Sie sich ja auch vor, an bestimmten Tagen vor der Arbeit/der Uni joggen zu gehen? Dann haben Sie ihr Ziel für den Tag bereits vor dem richtigen Tagesbeginn erledigt und können sich entspannt auf weitere Ziele konzentrieren.

Die ersten 48 Stunden sind entscheidend

Abschließend: Forscher fanden heraus dass die Wahrscheinlichkeit ein Ziel zu erreichen dann am höchsten ist, wenn man innerhalb der ersten 48 Stunden mit der konkreten Umsetzung beginnt. Wenn Sie also nun neu formulierte Vorsätze für das kommende Jahr haben, dann legen Sie doch gleich los! Nutzen Sie die Zeit der höchsten Motivation.

Ich wünsche Ihnen nun noch ein frohes und hoffentlich erfolgreiches 2022!