Im Auftrag des Kukkiwon
Dong-eon Lee

Asienmeister, Weltmeister-Coach, Dispatch Master in Deutschland – Dong-Eon Lee kann auf eine eindrucksvolle Karriere zurückblicken. Wir hatten die Chance für ein Gespräch.

TA: Sie sind Absolvent der Youngsan-Universität in Korea.
Was genau haben Sie dort studiert und wie hat Ihnen Ihr Studium auf Ihrem späteren Lebensweg geholfen?

Dong-eon Lee: Ich habe ein Taekwondo Studium absolviert, das bedeutet, dass ich Taekwondo als Hauptfach an der Uni belegt habe.
Dazu konnte ich verschiedene Nebenfächer belegen, wie die Geschichte des Sports und Einführungen in die verschiedenen Bereiche wie Poomsae, Wettkampf oder Demonstrationen. Darüber hinaus studierte ich nicht nur Taekwondo, sondern auch andere östlich Kampfkünste und andere Sportarten. Das Studium hat mir sehr geholfen, als ich einen Job als Taekwondo-Trainer bekam, denn nun konnte ich Sportlern und Schülern verschiedene Lehrmethoden und Kenntnisse vermitteln. Ich gehe davon aus, dass das Taekwondo Studium mein Leben weiterhin bereichern wird.

TA: Sie sind heute vor allem als Trainer bekannt – aber Sie waren zuvor schon ein erfolgreicher Wettkämpfer.  Könnten Sie uns die wichtigsten Meilensteine Ihrer Taekwondo-Karriere als aktiver Sportler nennen?

Dong-eon Lee: Ich wurde für den Worldcup 2010 in die koreanische Nationalmannschaft berufen und konnte in Ürümqi, China den 3. Platz, gewinnen. Weiterhin habe ich 2010 die Korea Open gewonnen sowie die Asienmeisterschaft 2012 in Ho Chi Minh City in Vietnam. Außerdem gewann ich den World Cup 2012 in Aruba und ebenfalls die Korea Open 2012.

TA: 2012 haben Sie Ihr letztes großes Turnier erfolgreich bestritten und traten kurz darauf eine Bundestrainerstelle in Deutschland an.
Ist Ihnen der Abschied von der aktiven Laufbahn schwergefallen?
Warum haben Sie sich entschlossen, Korea zu verlassen und ihre Karriere im Ausland weiter zu verfolgen?

Dong-eon Lee: Ich habe lange über diese Entscheidung nachgedacht. Damals war ich auf Platz vier der Weltrangliste und hatte den starken Wunsch, meine Karriere als Athlet für die bevorstehenden Weltmeisterschaften und die Olympischen Spiele 2016 fortzusetzen. Ich wurde außerdem gebeten, als Trainer im Profiteam von Yeongcheon-City zu bleiben, dies war mein Team. Deshalb wusste ich, dass meine Zukunft garantiert war. Aber das Angebot aus Deutschland war interessant und insgeheim auch ein Traum von mir. Diese Chance musste ich einfach wahrnehmen so stieg ich drei Monate später ohne Reue in ein Flugzeug nach Deutschland.

TA: Wie haben Sie die Umstellung von den koreanischen Trainingsmethoden auf die Situation in Deutschland erlebt?

Dong-eon Lee: Das Erste, was ich bemerkte, war, dass der Umfang des Trainings deutlich unterschiedlich war. Als ich für die Nationalmannschaft im Taereung National Training Center trainierte, stand ich ungefähr 28 Tage im Monat außer sonntags jeden Tag um 6 Uhr morgens auf und absolvierte mindestens drei Trainingseinheiten am Tag, beginnend mit frühmorgendlichem Training, Vormittagstraining, Nachmittagstraining und nächtliche Einzeltrainings. Im Gegensatz dazu fand das Training der Nationalmannschaft in Deutschland damals, als ich nach Deutschland kam, nur etwa eine Woche im Monat statt. Es wurde zweimal täglich, morgens und nachmittags trainiert.

Die koreanische Trainingsmethode hätte hier also nicht funktioniert, und die größte Herausforderung aus meiner Sicht war, „wie kann ich mit diesem geringen Trainingsaufwand einen guten Effekt erzielen“.

Ich denke, dass der Trainingsumfang sehr wichtig ist, um die Athleten-Fähigkeiten zu verbessern. In Korea war dieser Umfang aus meiner Sicht ein bisschen zu viel, in Deutschland nicht ausreichend

Um effektiv zu arbeiten, werden die grundlegenden körperlichen Übungen für die Bereiche Ausdauer, Beweglichkeit und Flexibilität, die allein durchgeführt werden können, gelehrt. Es wird den Sportlern gezeigt, wie sie sich selbst verbessern können. Diese Übungen werden ihnen als Hausaufgaben aufgegeben, die sie in ihrer eigenen Zeit erledigen können. Die Nationalmannschaft trainiert die aktuell wichtigsten Taktiken und Techniken.

TA: Sie haben damals ziemlich schnell Deutsch gelernt. Wie haben sie das geschafft?

Dong-eon Lee: Als ich zum ersten Mal in das Training der deutschen Jugendnationalmannschaft eingeteilt wurde, hat ein Dolmetscher mir sehr geholfen, aber trotzdem war das frustrierend.

Also entschied ich, dass ich hier nur überleben kann, wenn ich meine Deutschkenntnisse verbessere.

Glücklicherweise begann ich meine Trainertätigkeit kurz nach meinem Rückzug aus der aktiven Karriere und ich konnte den Sportlern selbst demonstrieren, was sie machen sollen, ohne alles verbal zu erklären. Die Sportler und meine Kollegen reagierten gut auf meine direkte Führungsmethode. Nebenbei gesagt, nach ungefähr fünf Monaten als Trainer, da ich immer noch in der gleichen körperlichen Verfassung wie ein aktiver Sportler war, schlug der Deutsche Taekwondo-Verband vor, meine Nationalität zu ändern und mich auf die Olympischen Spiele 2016 in Rio für Deutschland vorzubereiten.

Auch wenn ich im Training viel selber vorgemacht habe, hielt ich Deutsch für eine unbedingte Hausaufgabe, weil ich den Sportlern Taktiken und Strategien in Worten beibringen musste, um sie während des Wettkampfes zu unterstützen.

Also war ich nach Abschluss meiner Ausbildung besessen davon, Deutsch zu lernen. Nachdem ich nach Deutschland gekommen war, habe ich etwa zwei Jahre die Sprache gelernt und glücklicherweise, dank meiner extrovertierten Persönlichkeit, ziemlich schnell Deutsch sprechen können.

Nachdem ich mit den Sportlern einigermaßen kommunizieren konnte, hörte ich auf, die Sprache aktiv zu lernen, baute meine Deutschkenntnisse aber bis heute weiter aus. Schon jetzt, während ich dies schreibe, denke ich, dass Deutsch zu lernen eine lebenslange Aufgabe ist, und ich plane, mit dieser Überzeugung im Hinterkopf die Sprache weiter zu lernen.

TA: Was waren Ihre größten Erfolge als Trainer? An welche Erlebnisse aus Ihrer Zeit als Bundestrainer erinnern Sie sich besonders gerne, worauf sind Sie stolz?

Dong-eon Lee: Ich kann sagen, dass der größte Erfolg der Gewinn der Goldmedaille durch Alexander Bachmann bei der Weltmeisterschaft 2017 war. Ich habe lange mit Alexander Bachmann geschwitzt und denke, dass ich gute Ergebnisse erzielen konnte, weil ich seine Stärken gut kannte. Es war eine Ehre, diesen Sportler zur Goldmedaille bei der Weltmeisterschaft 2017 und zur Silbermedaille bei der Europameisterschaft 2019 zu coachen. Wenn ich mich für einen weiteren Sportler entscheiden müsste, schlägt mein Herz für Ewald Glesmann, der 2015 den 3. Platz bei der Universiade in Gwangju, Korea, gewann. Es war beeindruckend, dass dieser Sportler mit einem guten Verstand und einem schnellen Verständnis für die Vorteile seiner eigenen Körpergröße und dessen, was ich ihm vermittelte, eine Bronzemedaille in einem bedeutenden internationalen Wettbewerb gewinnen konnte. Ich bin immer noch stolz auf die beiden und habe weiterhin ein gutes Verhältnis zu ihnen.

TA: 2021 haben Sie als Bundestrainer aufgehört und wurden Kukkiwon Dispatch Master in Deutschland.  Haben Sie damals auch überlegt, nach Korea zurückzukehren oder sich vielleicht in einem anderen Land niederzulassen?

Dong-eon Lee: Deutschland ist ein Land mit vielen Vorteilen. Und ich denke, es gibt noch viele Möglichkeiten und Wege, um Taekwondo, die beste Waffe, die ich habe, zu verbreiten. Vor allem meine liebe Frau und mein Sohn mögen das Leben in Deutschland, deshalb habe ich nie an andere Länder gedacht und bin mit meinem Leben in Deutschland zufrieden, auch weil ich oft in Korea Urlaub machen kann.

TA: Was gefällt Ihnen am Leben in Deutschland?

Dong-eon Lee: Das Beste an Deutschland ist meiner Meinung nach die Gelassenheit der Menschen. Verglichen der koreanischen Gesellschaft, wo das Leben sehr hektisch ist, ist das Leben in Deutschland gut, weil ich Zeit habe, nachzudenken, zu reflektieren und für die Zukunft zu planen.

TA: Warum haben sie sich beim Kukkiwon als Dispatch Master beworben, was interessiert Sie an dieser Position? Wie lief die Bewerbung beim Kukkiwon ab?

Dong-eon Lee: Ich habe viele Empfehlungen von anderen Dispatch-Mastern aus der ganzen Welt erhalten. Vor allem war mir bewusst, dass das Kukkiwon, das Hauptquartier des Taekwondo, sehr hart daran arbeitet, Taekwondo auf der ganzen Welt zu verbreiten. Hier möchte ich eine wichtige Rolle spielen, damit Taekwondo expandieren kann nicht nur in der Nationalmannschaft, sondern in ganz Deutschland, auch im Breitensport.

Ich habe mich beworben, nachdem ich eine Ankündigung des Kukkiwon gesehen hatte, dass ein Meister gesucht wird, der nach Deutschland entsandt werden soll. Ich bin dann nach Korea gereiste und wurde durch einen Eignungstest und ein Vorstellungsgespräch ausgewählt.

TA: Was sind Ihre Aufgaben als Kukkiwon Dispatch Master in Deutschland?
Welche Aktivitäten haben Sie in den letzten beiden Jahren durchgeführt?

Dong-eon Lee: Meine Aufgabe ist es, Taekwondo in Deutschland bekannt zu und zu einem für viele Menschen zugänglichen Nationalsport zu machen. Um dies zu erreichen, ist es zum Beispiel hilfreich, wenn ein Nationalsportler eine Goldmedaille bei einem großen internationalen Wettbewerb gewinnt, wie den Olympischen Spielen, weil Taekwondo so bekannter wird. Außerdem sind – neben dem qualitativ hochwertigen Taekwondo-Unterricht – Fernsehauftritte, Demonstrationsvorführungen und Öffentlichkeitsarbeit geplant. Es zählt außerdem zu meinen Aufgaben, Taekwondo in der deutschen Öffentlichkeit durch Mundpropaganda bekannt zu machen.

Zurzeit betreue ich das Bundesstützpunkt-Training in Düsseldorf, um die Leistung der deutschen Nationalsportler kontinuierlich zu verbessern. Außerdem unterrichte ich viermal pro Woche Taekwondo in der Grundschule, damit Taekwondo als formales Unterrichtsfach aufgenommen werden kann, und 3-mal pro Woche in einem Taekwondo Verein. Darüber hinaus versuche ich durch die Teilnahme an Wettkämpfen oder Seminaren, die in allen Regionen Deutschlands durchgeführt werden, einen Beitrag zur Entwicklung des Taekwondo zu leisten.

Besonders dankbar bin ich für die die jährlich vom Kukkiwon durchgeführte Instruktoren-Ausbildung, durch die ich neue Informationen und Methoden für das Taekwondo-Training aufnehmen und mich so verbessern kann.

TA: Welchen anderen Aktivitäten möchten Sie noch in Angriff nehmen?

Dong-eon Lee: Ein Ziel ist es, Taekwondo zu einem obligatorischen Ausbildungsfach für die Polizei und die Armee zu machen. Derzeit ist Taekwondo repräsentativ für Sparring, Poomsae und Demonstration. Taekwondo soll darüber hinaus als Selbstverteidigung für einen realen Kampf in die Bereiche von Polizei und Armee gebracht werden. Es ist nicht einfach, aber meine Aktivitäten bestehen darin, vielen Menschen zu helfen, die guten Seiten von Taekwondo kennenzulernen.

TA: Ende letzten Jahres fand in Korea das 50-jährige Jubiläum des Kukkiwon statt, zu dem auch alle Dispatch Meister eingeladen waren.
Was hat Sie an dieser Feier besonders beeindruckt?

Dong-eon Lee: Der beeindruckendste Teil war, dass Botschafter aus vielen Ländern an der Veranstaltung zum 50-jährigen Jubiläum von Kukkiwon teilnahmen, und dies etwas, das sowohl bei mir als auch beim Außenministerium der Republik Korea einen tiefen Eindruck hinterlassen hat. Als Person, die Taekwondo macht, konnte ich sehr stolz darauf sein, und es wurde mir zu einer großen Motivation, Taekwondo in Zukunft fleißig zu verbreiten.

TA: Vor Kurzem haben Sie den neu berufenen Botschafter von Korea in Deutschland getroffen.  Über was haben Sie sich unterhalten?

Dong-eon Lee: In Berlin traf ich den neu ernannten koreanischen Botschafter in Deutschland.

Taekwondo hat eine lange Geschichte in Deutschland als Medium zur Förderung und Repräsentation der koreanischen Kultur und der Botschafter dankte mir für den kontinuierlichen Einsatz die damit verbundene harte Arbeit gedankt.

Darüber hinaus haben wir anlässlich des 140. Jahrestages der diplomatischen Beziehungen zwischen Korea und Deutschland in diesem Jahr um die Möglichkeit gebeten den Botschafter-Pokal wieder zu veranstalten.

TA: Welche Pläne haben Sie für dieses Jahr und für die Zukunft?

Dong-eon Lee: Dieses Jahr versuche ich, etwas mehr Zeit für die deutsche Nationalmannschaft zu investieren, und überlege, wie ich der deutschen Nationalmannschaft helfen kann, gemeinsam mit Jannis Dakos und Georg Streif bessere Ergebnisse zu erzielen.

Und auch in Zukunft möchte ich weiter hart daran arbeiten, meine Aufgaben zu erfüllen und Taekwondo in Deutschland weiterzuentwickeln.

TA: Gibt es etwas, das Sie gerne ergänzen würden, zum Beispiel eine Botschaft für unsere Leser und die Taekwondo-Community?

Dong-eon Lee: Für alle in Deutschland, die Hilfe im Taekwondo brauchen, stehe ich zur Verfügung. Es ist sogar meine Pflicht Ihnen zu helfen. Wenn Sie meine Hilfe benötigen, kontaktieren Sie mich bitte jederzeit.

Ich wünsche Ihnen ein rohes neues Jahr und bleiben Sie gesund.

Kästchen:

Kontakt:

Wer Kontakt zu Dong-eon Lee aufnehmen möchte, kann ihn unter lee@dtu-mail.de erreichen