Im Auftrag des Kukkiwon
Meister Young-hun Jung

Im August sind es fünf Jahre, dass Kukkiwon-Meister Young-hun Jung nach Estland kam. Wir sprachen mit ihm über seine stolzesten Momente während dieser Zeit und seine Pläne für die Zukunft.

TA: Meister Jung, würden Sie uns etwas über Ihre persönliche Taekwondo-Biographie erzählen, bevor Sie nach Estland kamen?

Meister Young-hun Jung: Ich habe 1998 mit Taekwondo begonnen. Meine Eltern arbeiten in ihrer eigenen Taekwondo-Schule in Seoul, der Hauptstadt von Südkorea. Deshalb konnte ich leichter mit Taekwondo beginnen als andere Kinder. Als ich in der Grundschule war, begann ich, mit anderen Jungen Sparring zu betreiben, aber ich merkte rasch, dass ich kleiner und schwerer war als die anderen, also wechselte ich mit 16 Jahren zur Poomsae. In der Oberschule belegte ich bei Poomsae-Wettbewerben in der Regel den dritten Platz, aber in meinem letzten Jahr in der Oberschule gewann ich den ersten Preis. Deshalb wurde ich ausgewählt, Taekwondo-Meister zu werden.

Ich machte meinen Abschluss an der Taekwondo-Abteilung der Nationalen Sportuniversität von Korea und wurde Meister. Während meines Studiums gehörte ich zum Demonstrationsteam meiner Universität und war auch Mitglied des Kukkiwon-Demonstrationsteams.

TA: Warum haben Sie sich entschieden, Korea zu verlassen und im Ausland Taekwondo zu unterrichten?

Meister Young-hun Jung: Als ich Taekwondo lernte, um ein Meister zu werden, wollte ich unseren traditionellen Sport in Korea verbreiten. Gleichzeitig hatte ich den Wunsch unseren Nationalsport in anderen Ländern bekannt zu machen, weil ich im Ausland stolz auf mein Land sein wollte.

TA: Warum sind Sie nach Estland gegangen?

Meister Young-hun Jung: Ich fand heraus, dass die Esten gute körperliche Fähigkeiten haben, und ich dachte, wenn sie Taekwondo richtig lernen würden, könnten sie ihre Fähigkeiten noch mehr verbessern, also beschloss ich, nach Estland zu gehen.

TA: Wann sind Sie in Estland angekommen und in welcher Stadt leben Sie?

 

Meister Young-hun Jung: Ich bin Ende August 2018 in Estland angekommen und lebe in der Hauptstadt Tallinn.

TA: Was gefällt Ihnen am meisten an Ihrer neuen Heimat?

Master Young-hun Jung: Ich mag die Menschen in Estland, sie sind sehr freundlich und freuen sich, Taekwondo zu lernen. Ich mag außerdem die Natur in diesem Land und den schönen Schnee, denn in Korea bekommen wir nicht viel Schnee zu gesicht.

TA: Es heißt, dass Estnisch eine der am schwierigsten zu erlernenden Sprachen überhaupt ist. Stimmt das und wie sind Ihre Erfahrungen mit der estnischen Sprache?

Meister Young-hun Jung: Ich stimme zu, dass Estnisch ziemlich schwierig zu lernen und zu sprechen ist. Anders als Englisch und Koreanisch hat Estnisch eine andere Grammatik und andere Laute, die ich nicht so leicht aussprechen kann.

TA: Wann sind Sie Kukkiwon Dispatch Master geworden und was war Ihre Motivation, sich zu bewerben?

Meister Young-hun Jung: Als ich jung war, war es mein Traum, Taekwondo in einem anderen Land zu unterrichten, nicht in Korea, weil ich Taekwondo weiter verbessern und die Ideen unseres Sports mit anderen Kulturen teilen wollte, damit sie sich im Taekwondo verbessern können.

Ich bin zufrieden, wenn ich sehe, dass Leute, die ich zuvor unterrichtet habe, gute Ergebnisse erzielen und ich sehe, dass sie hart trainiert haben und glücklich sind, Taekwondo gelernt zu haben.

TA: Was sind Ihre Aufgaben und Aktivitäten als Kukkiwon Dispatch Master in Estland?

Meister Young-hun Jung: Bevor ich nach Estland kam, lernten die Menschen hier eher ITF Taekwondo als WT Taekwondo.

Daher besteht meine Arbeit in Estland darin, WT-Taekwondo zu popularisieren, es den Esten beizubringen und sie zu guten Trainern auszubilden.

Derzeit gibt es in Estland keine nennenswerten Ergebnisse im WT-Taekwondo, daher ist es eines meiner Ziele, Taekwondo in Estland zu unterrichten, um in Zukunft gute Ergebnisse zu erzielen und möglicherweise eine Medaille bei den Olympischen Spielen für Estland zu holen.

TA: Welche Aktivitäten als Dispatch Master machen Ihnen persönlich am meisten Spaß?

Meister Young-hun Jung: Ich genieße es, von meinen Schülern Lob für meine harte Arbeit zu hören. Wenn ich sehen kann, dass sich die Fähigkeiten meiner Schüler verbessert haben, macht mich das glücklich. Ich bin zufrieden, wenn ich sehe, dass sie hart trainieren und wenn sie nach dem Unterricht zu mir kommen und sagen: „Danke, dass Sie uns Taekwondo beigebracht haben.“ Dann bin ich stolz auf mich und denke, dass meine Entscheidung, nach Estland zu kommen, die richtige war.

TA: Was waren bisher Ihre größten Erfolge in Estland – worauf sind Sie persönlich am meisten stolz?

Meister Young-hun Jung: Mein schönster Moment in Estland war die Europäische Kinder- und Kadettenmeisterschaft im August 2021, bei dem einige meiner Schüler Medaillen holten. Dieser ist der bislang größte Erfolg und mein stolzester Moment. Eine weitere Sache, auf die ich stolz bin, ist, dass ich eine Auszeichnung vom Kukkiwon-Präsidenten Dong Sup Lee in Korea erhalten habe.

TA: Wie war die Situation des Taekwondo in Estland, als Sie dorthin kamen, und wie hat sie sich während Ihres Aufenthalts verändert?

Meister Young-hun Jung: Wie ich schon sagte, als ich nach Estland kam, kannten die meisten Leute kein WT Taekwondo, sie lernten hauptsächlich ITF Taekwondo. Jetzt ist WT Taekwondo in Estland viel populärer als ITF Taekwondo und seine Sportler. Viele von ihnen wollten WT Taekwondo lernen und wechselten ihren Taekwondo-Stil von ITF Taekwondo zu WT Taekwondo. Und ich spüre jetzt den Respekt von Mihhail Kõlvart, dem Präsidenten des estnischen Taekwondo-Verbandes, für mich, so dass ich diese Situation zu schätzen weiß.

TA: Wie ist die Situation des Taekwondo in Estland heute?

Meister Young-hun Jung: Es gibt zehn Vereine und etwa 400 Taekwondo-Schüler in Estland.  Taekwondo ist nicht so populär wie Fußball, Basketball oder Volleyball, aber ich denke, dass Taekwondo in der Zukunft in Estland ziemlich berühmt werden wird.

TA: Was sind die positiven Aspekte und Stärken von Taekwondo in Estland?

Meister Young-hun Jung: Die Esten haben gute körperliche Voraussetzungen für Taekwondo, und ich mag es sehr, wenn sie an meinem Unterricht teilnehmen. Sie sind in meinem Unterricht sehr konzentriert, und ich schätze ihre Einstellung zum Taekwondo-Lernen.

TA: Auf der anderen Seite, welche Probleme sind Ihnen begegnet?

Meister Young-hun Jung: Die meisten Schüler sind introvertiert und haben kein Selbstvertrauen, wenn sie Taekwondo üben.

TA: Gibt es andere Taekwondo-Aktivitäten und Themen, die sich besonders positiv auf das Interesse der Nation an Taekwondo ausgewirkt haben?

Meister Young-hun Jung: Veranstaltungen wie Interviews und Filmaufnahmen tragen dazu bei, den Sport noch populärer zu machen. Das Interesse am estnischen Taekwondo-Verband ist viel größer als früher, so dass unser Sport heute viel bekannter ist.

TA: Erhalten Sie Unterstützung von anderer Seite, zum Beispiel von der koreanischen Botschaft, koreanischen Unternehmen oder anderen?

Meister Young-hun Jung: Ja, die koreanische Botschaft in Finnland unterstützt jedes Jahr den estnischen Taekwondo-Verband, aber wir haben im Moment keine koreanischen und estnischen Taekwondo-Veranstaltungen. Kukkiwon schickt Taekwondo-Trainingsmaterialien nach Estland, um das Training für die Esten zu erleichtern.

TA: Was sind Ihre Ziele, Ideen und Pläne für die Zukunft?

Meister Young-hun Jung: Mein Ziel in Estland ist es, nicht nur Sparring zu unterrichten, sondern auch Poomsae und Demotaekwondo, um bei internationalen Wettbewerben Auszeichnungen zu erhalten.

Ich möchte auch die Anerkennung der Esten gewinnen, die nicht viel über Taekwondo wissen, und sie wissen lassen, dass Taekwondo ein guter Sport ist.

TA: Gibt es noch etwas, das Sie hinzufügen möchten, zum Beispiel eine Botschaft an unsere Leser und die Taekwondo-Gemeinschaft?

Meister Young-hun Jung: Taekwondo ist als Kampfkunst wertvoll, und nicht als gewalttätiger Sport.

Den Schülern, die dieses Interview lesen, möchte ich sagen: glaubt an euren Trainer und folgt ihm, und wenn Trainer dieses Interview lesen, möchte ich ihnen sagen: schenkt euren Schülern Liebe und arbeitet hart für sie.

Kukkiwon ist immer an Menschen interessiert, die Taekwondo in der Welt trainieren, also trainiert bitte hart und glaubt an Kukkiwon.

Ich möchte allen sagen: Anstrengung ist nie umsonst.

Info:
Das World Taekwondo Headquarters Kukkiwon hat derzeit Taekwondo-Meister in 56 Länder der Welt entsandt. Diese so genannten Dispatch Masters sind eine Art diplomatisches Korps des Taekwondo: Sie verbreiten den koreanischen Nationalsport in ihren neuen Heimatländern und unterstützen lokale Sportler und Organisationen. In unserer Serie stellen wir die Männer und Frauen vor, die Korea den Rücken kehren, um Taekwondo in der Welt populärer zu machen.