EPTU nimmt Fahrt auf

EPTU nimmt Fahrt auf

Im Interview: Michael Lehner

Para Taekwondo hat im Zuge der Paralympischen Spiele von Tokio einen immensen Aufschwung erfahren: Die Zahl der Para-Athleten hat sich im Taekwondo seither vervierfacht. Mit der der inklusiven Europameisterschaft im Mai und dem Para Grand Prix im Juni gibt es außerdem neue Turnierkonzepte, die das Interesse am Parasport im Taekwondo ankurbeln. Die European Taekwondo Union (ETU) spielt hier eine Vorreiterrolle. Nun hat sich in Europa als erstem Kontinent eine eigene Europäische Para Taekwondo Union (EPTU) mit Sitz in Köln gegründet. Wir sprachen mit ihrem Präsidenten Dr. Michael Lehner.

TA: Herr Dr. Lehner, auch Insider waren mitunter von der Existenz eines eigenständigen europäischen Para Taekwondo Verbands überrascht. Wie kam es dazu?

Michael Lehner: Die Initiative ging zunächst vom Welt-Verband World Taekwondo aus, der seine Kontinentalverbände aufrief, den Para Sport nachhaltig zu stärken. Es war ein besonderer Wunsch des Präsidenten der ETU es nicht nur bei einer bloßen eigenen Abteilung zu belassen, sondern zum Beleg der Nachhaltigkeit des Engagements der ETU einen eigenständigen Verband zu gründen. Die so entstandene EPTU ist selbstverständlich eng mit der ETU verbunden und in die organisatorische Pyramide des olympischen Taekwondo aus WT, ETU und Mitgliedsverbänden eingebunden.

TA: Sie sind Gründungspräsident der EPTU. Was war Ihre persönliche Motivation, diese Position zu übernehmen?

Michael Lehner: Ich engagiere mich schon seit vielen Jahren für den Para-Sport. Gemeinsam mit der bekannten Triathletin Katja Schumacher habe ich zum Beispiel den Verein Heart Racer gegründet, in dem wir Kindern mit Behinderung und krebskranken Kindern ermöglichen, gemeinsam mit anderen Sport zu treiben und, wenn sie möchten, auch an Wettbewerben teilzunehmen. Als ich deshalb gefragt wurde, ob ich mir vorstellen könnte, mich auch in meiner zweiten sportlichen Heimat, dem Taekwondo, für den Para-Sport einzubringen, habe ich nach kurzer Bedenkzeit zugesagt.

TA: Welche Bedeutung hat der Parasport aus Ihrer Sicht innerhalb des organisierten internationalen Leistungssports?

Michael Lehner: Die Rolle des Sports als gesellschaftlicher Stützpfeiler tritt leider immer mehr zurück. Der organisierte Sport wird oft eigenverantwortlich nicht mehr als Vorbild für unsere Jugend wahrgenommen. Stattdessen rücken in der Gesellschaft vermehrt negative Aspekte ins Zentrum der Aufmerksamkeit, wie Doping, Korruption oder überzogene Leistungsorientierung um jeden Preis. Der Parasport stellt hier ein wichtiges Gegengewicht dar, als zutiefst menschliches, an Idealen orientiertes Gesicht des Sports. Es ist mir wichtig, dass im Parasport Fehler nicht wiederholt werden, die in der Sportentwicklung ganz allgemein gemacht wurden. Gleichzeitig kann uns die Parabewegung helfen, den Sport wieder als gesellschaftlich relevantes und positives Thema in die Wahrnehmung der Öffentlichkeit zu rücken.

TA: Wo ist der Sitz der EPTU und wer waren die Gründungsmitglieder?

Michael Lehner: Die offizielle Adresse der EPTU ist die deutsche Großstadt Köln, in der auch die ETU seit letztem Jahre ihren Sitz hat – ein deutliches Zeichen für die enge Verbundenheit der beiden Verbände. Unser Ziel ist es, dass möglichst alle Mitgliedsnationen der ETU sich auch der EPTU anschließen. Wobei die ETU Fördermitglied ist und damit alle ihre MNAs bereits heute schon mittelbare Mitglieder der EPTU. Nachdem die Gründung der EPTU als eigenständiger Verband planmäßig mit der gesetzlichen Mindestanzahl von sieben MNAs erfolgt ist, gilt es nun Strukturen zu schaffen. Im Herbst werden wir alle MNAs anschreiben, Informationen erheben und um eine unmittelbare Mitgliedschaft werben. Danach soll die erste EPTU Mitgliederversammlung stattfinden, im Zuge einer schlanken Organisation angegliedert an eine ETU General Assembly.

TA: Wer sind Ihre Mitstreiter im EPTU-Vorstand?

Michael Lehner: Mir war es wichtig, ein schlagkräftiges Gremium aus Fachleuten zu haben, mit dem wir die ersten Hürden für unseren jungen Verband schnell nehmen können. Als Experte wird der Vize-Vorsitzende des WT Para Komitees Usman Dildar aus Großbritannien seine Kenntnisse in die EPTU einbringen. Für die Finanzen konnten wir ETU-Vizepräsident Fred Buitenhuis gewinnen. Im Zuge der Gendergerechtigkeit wurden zwei weitere Vorstandspositionen gezielt mit hochqualifizierten Frauen besetzt: Susan Harris-Hümmert ist Professorin an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg und wird uns insbesondere mit ihrer Expertise in den Bereichen  der Internationalen Kommunikation und  des strukturellen Management unterstützen. Katja Schumacher, die ehemals beste Triathletin Deutschlands, wird den gewünscht engen Kontakt mit Sportlern und Trainern herstellen . Wie schon erwähnt ist Katja als Mitgründerin und -vorstand des integrativen Vereins Heart Racer bereits im Para Sport aktiv und kann so hervorragend die Verbindung zur Basis herstellen und halten. Mit diesem Kern-Team sind wir einsatzfähig, um die EPTU aufzubauen und uns für alle Anliegen unserer Mitglieder effektiv einzusetzen.

TA: Was sind Ihre nächsten Pläne?

Michael Lehner: Unser erstes Geschäftsjahr wird das Jahr 2023 sein. Dafür haben wir bereits ehrgeizige Pläne: Taekwondo soll Disziplin bei den European Para Championships 2023 in Rotterdam sein. Analog zu den European Championships handelt es sich dabei um eine Multi-Europameisterschaft mit etwa zehn Sportarten. Die Teilnahme von Para Taekwondo wird die Aufmerksamkeit für unseren Sport weiter erhöhen und Sportler motivieren, sich der Bewegung anzuschließen.

Wichtig ist mir außerdem die rasche Gründung von Athleten- und Trainerkommissionen innerhalb der EPTU. Hier gilt mein Appell aktiven und ehemaligen Sportlern und Trainern aus dem Para Taekwondo, sich bei uns zu melden. Die Erfahrungen und Ratschläge der Aktiven und ehemaligen Aktiven sind die wertvollsten Instrumente für die Ausrichtung der EPTU. Persönlich freue ich mich darauf, die EPTU aufzubauen und der Para Taekwondo Bewegung in Europa so auch weiter eine internationale Spitzenposition zu sichern.

European Para Taekwondo Union (EPTU)

Präsident: Dr. Michael Lehner / Heidelberg, Deutschland
Michael Lehner ist Rechtsanwalt und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Sportrecht im DAV sowie der Französischen Juristenvereinigung und als Schiedsrichter bei der Deutschen Institution für Sportschiedsgerichtsbarkeit tätig. Er ist Vizepräsident in der Taekwondo Union Nordrhein-Westfalen. Er  war Council Member der ETU und ist aktuell Vorsitzender deren Ethik Kommission.

Vorstand:
Katja Schumacher / Deutschland
Dr. Susan Harris-Hümmert / Deutschland
Fred Buitenhuis / Niederlande
Usman Dildar / Großbritannien